
Ich geb zu, ich hab das Zwinker Emoji lange unterschätzt. Mittlerweile bin ich überzeugt davon, nach der Beherrschung des Feuers und der Erfindung des Rades, kommen die gelben Racker bei den menschlichen Errungenschaften an dritter Stelle.
Wie viele Beziehungen in die Brüche gegangen wären oder sich Freundschaften zu erbitterten Feindschaften gewandelt hätten, ohne die Hilfe des zwinkernden Gesellen, lässt sich gar nicht beziffern.
Das scheint der digitalen Plauderei geschuldet. In der realen Welt funktioniert das nur begrenzt. Setzt du deinem aggressiven Kontrahenten in der Kneipe ein fröhliches Zwinkern entgegen, um schmerzhaften Körperkontakt zu vermeiden, wirst du wahrscheinlich auf diesem spaßigen Auge die nächsten Tage eher schlecht sehen.
Auch eine schleimige Zweideutigkeit macht ein Augenzukneifen nicht zur philosophischen Erkenntnis. Günstigenfalls kommt als Antwort das klassische Augenverdrehen – Emoji oder, als passgenauere reale Entgegnung, eine saftige Watschn ins Zwinkerface. Funktionieren tuts halt nur in verschriftlichter Form, das heißt, in kurzen, zackigen Botschaften.
Jetzt stellt sich mir die Frage, ob unser Ironieverständnis darunter gelitten hat, bequemlichkeitshalber immer ein erklärendes Zeichen serviert zu bekommen.
Seit dem Fertiggericht hat mutmaßlich das Vermögen abgenommen, sich selbst etwas zu brutzeln oder gar zu erjagen bzw. zu pflücken – vom Lieferdienst, der abgewogene Zutaten ins Haus bringt und dem Thermomix ganz zu schweigen.
Ohne Zwinkern muss es ernst zu nehmen sein, ohne Smiley ist es nicht lustig, ohne Wutgesicht kein amtlicher Ärger? Eventuell geht die Reise zurück zu den Höhlenmalereien. Der Kreis scheint sich zu schließen. You get what you see. Zwischen den Zeilen lesen – wozu? Da steht ja nix.
Literarisch oder auch beim gesprochenen Wort stellen sich da Fragen bzw. Missverständnisse in der Schlange an und warten bis sie drankommen. Schon die Dichter*innen der Antike formulierten, dass es verflixte Schwerstarbeit wäre, etwas Humoriges zu fabrizieren, ernst und traurig dagegen ginge immer. Und der ein oder die andere haben sich hinter Kerkerwänden wiedergefunden oder ihren Kopf verloren, weil die Herrschenden so gar keine Weisheit oder Verständnis für Sarkasmus aufbringen wollten. Ob die Zwinkerei geholfen hätte?
Ich hab mir überlegt, ob mein nächster Roman, an dem ich grad arbeite, nicht einen Aufkleber tragen sollte: „Kann Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten.“ Das würde diesbezüglich allergische Menschen vorwarnen. Mir wurden zumindest seltsame Nebenwirkungen von Unpässlichkeit bis hin zum Schwindel kolportiert.
Ich stell mir das so vor, als würdest du dir ohne passende Brille einen 3D Film betrachten. Da hat das Vergnügen verständlicherweise ein veritables Loch, und der Handlung folgen zu wollen, ist vergebliche Liebesmühe.
Letztenendes nicht tragisch, es gibt ja genügend Lesestoff, gerade bei den Lexika und Enzyklopädien. Da kann man getrost darauf vertrauen, die meinen jede Zeile verdammt ernst.
Ach so: //Ironie off
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