Dass ich kein junger „Spring-ins -Feld“ bin, wird mir besonders deutlich des Morgens vor Augen geführt, wenn ichs wieder mal übertrieben hab mit der Lebendigkeit. Da spürst du jedes Jahr in den Gliedern, als wär dein Gerippe ein Kalender. Aber wenn schon nicht körperlich adolesezent, kann man sich zumindest auf eine geistige Zeitreise begeben und sich solidarisieren mit dem Jungvolk.
Zum Beispiel macht es fuchsig, das sich da just ein paar junge Menschen vor Gericht verantworten müssen, wegen schwerem Diebstahl, weil sie sich aus der Discountertonne bedient und die weggeworfenen Lebensmittel geschnappt haben. Weil, wo kämen wir hin, wenn das jeder täte? Sich satt essen ohne Rechtsgrundlage liegt offenbar nahe beim Bankraub. Spinn den Gedanken mal weiter. Am Ende stünde die Erkenntnis, dass wir die Fressalien, die sie in die Tonne kloppen, fleißig mitbezahlen. Das ist beim Gewinn einkalkuliert. Ich kauf also einen Joghurt und zahl den für die Tonne mit, weils eh wurscht ist. Eigentlich müsste da wer anders vor Gericht stehen. Die Verursacher des ganzen überflüssigen Lebensmittelmülls, den man nicht einmal ungestraft fressen darf.
Ja und ich zieh den Hut vor Menschen, die das nicht hinnehmen wollen. Respekt!
Apropos hinnehmen. Da wagen es doch Schüler am Freitag vormittag zu demonstrieren. Die Lauser. Tausende. Weil sie feststellen, dass gute Zeugnisse nicht mal als Scheißhauspapier taugen, wenn dir der Planet um die Ohren fliegt. Und all jene die jetzt mit strenger Bestrafung und Schulpflicht daherkommen, denen tropft die Scheinheiligkeit aus allen Poren. Weils denen einzig darum geht, dass die jungen Menschen eine andere Ansicht vertreten als sie. Natürlich werden sie als unreif, ahnungslos, indoktriniert, manipuliert und schlicht gaga abgeurteilt, weils ja nicht sein kann, dass eine konträre Meinung sich auf Fakten und Forschungen beziehen kann. Da muss Schluß sein mit der Meinungsfreiheit. Büffeln sollen die Fratzen und nicht den Mund aufmachen.
Das ist eh „gegen jeden Menschenverstand“ wie es ein klassisches Beispiel des berechnenden Manipulators zu sagen pflegt. (Der hat sich allerdings im Tal der Ahunugslosen bestimmt ein Grundstück reserviert)
Aber warum nicht mal stolz sein auf die Kids und dankbar, statt immer den Besserwisser zu geben. Natürlich wird der Protest ignoriert, sagt uns unser altersweiser Zynismus, weil wir uns eingerichtet haben in der „da kann man eh nichts ändern Blase.“
Aber mir soll keiner kommen, der aus seinem Fernsehsessel heraus das jugendliche Engagement belächelt, in Frage stellt und sich höhnisch aufplustert. Einfach die Gosche halten.
Ob richtig oder falsch, die Protestierenden machen sich jedenfalls andere Gedanken als übers neue Auto und ob des Nachbars Hecke sieben Zentimeter zu hoch ist. Und sie fangen auch nicht an herum zu pöbeln und darüber zu lamentieren, wer zur Hölle wieder mal an ihrem persönlichen Dilemma Schuld trüge.
Und ja, sie haben zurecht das Vertrauen in uns Ältere verloren. Das Vertrauen darauf, wir fänden Lösungen, wir wären an einer halbwegs passablen Zukunft interessiert und an einem bewohnbaren Planeten für alle Wesen. Ganz zu schweigen davon, dass wir dafür etwas riskieren und kämpfen würden.
Und nein, sie sind nicht naiv. Sie schauen aufs „Morgen“, während ihre fantasielosen Kritiker sich vergeblich das vermoderte „Gestern“ zurück wünschen. Letztendlich sind wir naiv, zu glauben dass das, was wir gelernt haben und mit der Muttermich aufgesogen, dieses Beharren auf antiquierte „Notwendigkeiten“, die uns von lobbygemästeten Einpeitschern gepredigt werden, existenziell ist. Da wäre jede Menge Raum um Neues zu probieren neben dem Unausweichlichen, dem Alternativlosen, all den depperten Worthülsen die sich über jeden Wiederspruch stülpen wollen.
Und dafür sollte man den Kids applaudieren, sie sind keine Wiederkäuer, sie tragen keine Scheuklappen und gebrauchen ihren eigenen Kopf. Wohin auch immer es führt. Respekt, ich feier das heute – weil Freitag ist.
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