Die AZ hat unlängst getitelt, die Wildschweine würden sich vor der Stadt zusammenrotten. Tausende. München wäre quasi umzingelt von Schwarzkitteln. Und nicht nur dort, im ganzen Land – grunzendes, quieckendes, zähnefletschendes Armageddon. Der jüngste Tag trägt Fell.
Ja, es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie marodierend einfallen, mit Schaum vor dem Maul durch die Strassen preschen, und ihre mächtigen Hauer in alles schlagen, was sich ihnen in den Weg stellt.
Von wegen, die Natur gilt es zu schützen. Da bereust du jeden Cent der weihnachtsbetüdelten Greenpeace-Spende, wenn dich ein hunderfünfzig Kilo Eber durchs Gelände hetzt.
Wobei – nach Angaben der AZ stünden die tapferen Waidmänner bereits Gewehr bei Fuß. Bestimmt auch Tausende, mit dem Finger am Abzug. Keine Gnade, finale Rettungsschüsse für den Fortbestand der Zivilisation. Da lehnt sich der Leser beruhigt auf der Schweinsledercouch zurück. Wir sind auf der sicheren Seite, Verwechslung ausgeschlossen – aber bitte keine schwarzen Jacken und/oder struppige Bärte tragen oder sich auffallend benehmen, quasi säuisch.
Das Gefühl von Schweinen umzingelt zu sein, ist ja ein altbekanntes. Die sommerliche Wanderung durch die Isarauen ist zum Beispiel wie ein Gang durch die Pinakothek der Moderne, falls man ein Faible für die manigfaltigen Installationen hat, welche sich kreativ mit Plastik, Alu und Glasscherben auseinandersetzen. Vielleicht ist das auch eine Reminiszenz an den Künstler Christo, der Versuch das Flussufer zu verpacken.
Desweiteren findest du gerade zur Wiesnzeit stadtweit Ansammlungen ledergewandeter Kreaturen, die auf allen Vieren fröhlich vor sich hin grunzen und sabbern. Auf eine Wildschweininvasion sind wir mental umfassend vorbereitet.
Und warum, zum Kuckuck, traut sich die Sau gerade jetzt aus Wald und Flur? Klarer Fall von Überbevölkerung.
Nein, ich predige nicht gegen die monotheistische Maisanbetung, auch wenn es suboptimal scheint, dass der geschätzte bayrische Landwirt auf den Feldern mehr zum Verheizen anbaut als zum Fressen. Das Schweinedilemma haben wir uns hergemästet. Und nun gilt: Natur strikes back.
Da beschleichen mich diverse Fantasien. Wildsäue, die an den Isarauen die schmutzenden Grillfleischfetischisten jagen oder Punkt zwölf quer über den Marienplatz durchs knipsende, schnatternde und filmende Gedränge galoppieren. Am Abend fressen sie brav die überquellenden Container der Discounter leer und schlafen in den U-Bahnhöfen, damit die Verkehrsbetriebe endlich eine plausible Erklärung für „Betriebsstörungen“ abliefern können.
Bei Aufmärschen jedweder Couleur solltest du, deiner körperlichen Unversehrtheit wegen, statt mit Flaschen und Steinen lieber mit Eicheln um dich werfen und dich in Toleranz gegenüber Rüsselträgern üben.
Und last not least kriegen die websüchtigen Kurzen hautnah mit, dass die Landschaft nicht nur von Viechern aus Mindcraftwürfeln bevölkert ist, die du per Mausklick zum Schnitzel transformieren kannst.
So eine Koexistenz mit dem Schwein wäre schon verlockend.
Man sollte die Sau reinlassen, um sie richtig rauslassen zu können.
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